Fichte, Hubert -
deutscher
Schriftsteller, geboren 1935 in Perleberg in der Prignitz; gestorben 1986 in
Hamburg. Kriegs-
und Fluchterlebnisse als Halbjude, der, ohne den Vater zu kennen, bei Mutter auf
Großmutter aufwächst, prägen insbesondere frühe Texte. Als Kinderdarsteller
erhält Hubert Fichte erste Bühnenrollen u.a. am Schauspielhaus Hamburg, wo er
Hans Henny Jahnn kennenlernt. 1950 bricht Fichte das Gymnasium nach der Klasse
10 ab. Durch ein Reisestipendiums wird Hubert Fichte 1953 ein Aufenthalt in
Frankreich ermöglicht. Fichte korrespondiert mit Camus, besucht Picasso und
Chagall und übersetzt mit Jean Giono den „Simplicissimus“ von
Grimmelshausens. Im „Camp de la Pomponette“ des Arbeitspriesters Abbé
Pierre-Grouès wird der junge Mann Lagerleiter. 1955 beginnt er eine
landwirtschaftliche Lehre und ein Studium; erste Funkarbeiten. 1958 geht
Fichte nach Järna in Schweden, um in einer anthroposophisch geführten Arbeitsschule
zu arbeiten. Seit 1961
unternimmt er vermehrt Reisen mit seiner Lebensgefährtin Leonore Mau. Nach dem
Drama Ödipus auf Haknäss (1960/61)
erscheinen 1963 erste Erzählungen. Fichte erhält das Julius-Campe-Stipendium,
reist nach Finnland und zur Tagung der Gruppe 47. 1964 reist er erneut nach
Finnland sowie nach Portugal. Er beginnt portugiesisch zu lernen. Im Jahr darauf
erscheint Waisenhaus und markiert
einen literarischen Durchbruch. Der Schriftsteller erhält den Internationalen
Hermann-Hesse-Preis. 1966 reist er nach Griechenland und Kreta, er liest im
Starclub in Hamburg aus seinem Roman Palette,
der 1968 erscheint, ein Bestseller wird und damit Reisen nach Marokko, Brasilien
und Ägypten ermöglicht, die wiederum als Ausgang einer weitreichenden
Forschungstätigkeit und von Studien im Verlauf der kommenden Jahre angesehen
werden können. 1971 bereits beginnt Fichte das Studium der afroamerikanischen
Religionen mit einer beinahe einjährigen Reise nach São Salvador da Bahia
de Todos os Santos (Brasilien). Er reist zu José Luis Borges nach Argentinien
und auf die Osterinseln, studiert Spanisch, führt ein Interview mit Salvador
Allende und mit Mitgliedern seines Kabinetts für die Frankfurter
Rundschau. Grünspan erscheint.
Fichtes ethnologisches Interesse ist vor allem auf Afrika und Amerika gerichtet.
1973 reist er nach Tansania und Äthiopien, 1974 arbeitet er gemeinsam mit
Leonore Mau in einer psychiatrischen Klinik,
1976 dann in einem psychiatrischen Dorf im Senegal. Fichte reist nach
Haiti, in die Dominikanische Republik, nach Trinidad, auf die Galapagos-Inseln
und nach Mexiko. Er liest an
den Universitäten von Lissabon, Porto und Coimbra und an den Universitäten
von Yale und Columbia, 1977 in Port-au-Prince. 1978
setzt er seine Studien, die u.a. ausführlich in Psyche
dargestellt werden, in psychiatrischen Dörfern in Togo fort.
1979 hält er nach einer
Bearbeitung und Inszenierung des „Agrippina“ Caspar David Lohensteins in
Princeton Vorträge über den Barockdichter und erhält einen Lehrauftrag in
Klagenfurt. Eine weitere, mehrjährige Berufung führt ihn als Dozent für
afroamerikanische Kultur und poetische Anthropologie an die Universität Bremen.
Er beginnt mit der Arbeit an der Geschichte
der Empfindlichkeit und erhält 1975 den Fontane-Preis der Berliner Akademie.
1976 bringt er Xango heraus, das
gemeinsam mit Petersilie (1980) und Lazarus
(1985) als ethnopoetische Trilogie über die synkretistischen afroamerikanischen
Religionen bezeichnet wird. 1977 beobachtet er religiöse Kulte und ihre Bedingungen
in Venezuela, Miami und Haiti, 1978 in Grenada. Wolli
erscheint. Noch 1980, in dem Jahr, in dem Forschungsbericht
in Reinschrift vorliegt und Psyche in
einer Vorabveröffentlichung erscheint, besucht Fichte die Bermudas, Panama,
Nicaragua und Kolumbien. Im folgenden Jahr beginnt er seine letzte große
Brasilienreise, die in eine Monographie mit Leonore Mau und Sergio Ferretti über
die Casa das Minas mündet. Die „Geschichte der Nanã“ entsteht. 1984
reist Fichte noch einmal nach Grenada. Er inszeniert für den SFB "Die
Geschichte der Empfindungen Augusts von Platen", wobei er selbst Platen
spricht. 1986 stirbt Hubert Fichte. Die Geschichte
der Empfindlichkeit wird posthum veröffentlicht.
s. http://www.rrz.uni-hamburg.de/Fichte-Forum/
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